DAS SAGT JESPER JUUL ZUM „WÜRDIGEN SCHLAGEN“
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Erziehungspapst geht auf echten Papst los

Von JESPER JUUL
Der Papst hat über die Rolle der Väter in der Erziehung gesprochen. Dabei hat er einen Vater gelobt, der seine Kinder schlägt, aber nicht ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen. Der Papst betritt dünnes Eis.

Er ist wieder einmal viel menschlicher als seine Vorgänger und viele katholische Priester. Er macht es öffentlich, dass Kinder eine persönliche Würde haben, die geschützt und umsorgt werden muss. So weit die gute Nachricht.

Der Papst ist ein intelligenter Mann, der auch eine politische Verantwortung hat. Er ist in diesem Fall nicht mutig genug, die Millionen von katholischen Eltern zu brüskieren, die ihre Kinder im Namen der Erziehung körperlich missbrauchen.

Lassen Sie es mich klar sagen: Sie können ein Kind nicht schlagen, ohne seine Würde und sein Selbstwertgefühl zu verletzen. Und dabei spielt es keine Rolle, wohin man ein Kind schlägt. Warum sollte das Gesicht mehr Würde haben als der restliche Körper? Das ist einfach nicht wahr. Im Übrigen: Die Würde des Kindes – oder auch eines Erwachsenen – wird nicht nur durch körperliche Schläge verletzt, sondern gleichermaßen durch verbale Gewalt.

Jesper Juul, ist Familientherapeut und Bestsellerautor „Dein kompetentes Kind“, „Nein aus Liebe“

Die Kirche vertritt in Bezug auf körperliche Gewalt als Instrument der Erziehung eine sehr konservative Haltung. Das ist wenig überraschend. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie in diesem Thema in Wahrheit inkompetent ist. Es gibt im Vatikan keine Eltern.

Die moralische Botschaft, die wir unseren Kindern mitgeben, wenn wir sie schlagen, ist, dass es richtig ist, andere Menschen zu verletzen, wenn sie schwächer sind als wir selbst.

Die andere Nachricht ist, dass es in Ordnung ist, die Unversehrtheit anderer zu verletzen, wenn sie unsere Autorität infrage stellen. Wenn das die Botschaften sind, die wir unseren Kindern mitgeben wollen, stoßen wir das Tor zur Gewalt weit auf.

In der Erziehung geht es darum, dass Kinder einen respektvollen Umgang miteinander auf Augenhöhe lernen.

Die Würde der Kinder wird durch die physische Verletzung beschädigt, aber sehr oft sind die Worte, die der Erwachsene verwendet, viel gefährlicher. Sie beschädigen nicht nur die Würde des Kindes, sondern auch dessen Selbstwertgefühl, das Grundvertrauen in die Eltern.

Eltern sind nicht perfekt. Auch gute machen Fehler. Wenn Ihnen die Hand ausgerutscht ist, sagen Sie Ihrem Kind: „Es tut mir leid. Ich habe die Kontrolle verloren, und es war falsch von mir, dir wehzutun. Ich bin dafür verantwortlich, du trägst keine Schuld.“

Fragen oder bitten Sie nie um Vergebung! Wenn Ihre Entschuldigung aufrichtig ist, wird Ihr Kind Ihnen vergeben. Wenn sie es nicht ist, wird Ihr Kind nicht nur unter der Verletzung leiden, sondern auch unter der Schuld.