Längere Karenz oder Karriere?
Was Frauen die Karenz kosten kann:
Knick in der Karriere? Gravierende finanzielle Einbußen? Forscherinnen untersuchten die Folgen verschiedener Karenzmodelle

Wie schnell Frauen nach der Geburt eines Kindes ins Berufsleben zurückkehren, hat vor allem mit finanziellen Erwägungen zu tun, zeigt eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Mütter überlegen genau: Ist es für mich leistbar, länger daheim beim Kind zu bleiben? Und welche Einbußen würden sich dadurch für meine Karriere ergeben? Welche langfristigen ökonomischen Folgen unterschiedliche Karenzmodelle tatsächlich haben, wurde im Rahmen der Studie ebenfalls beleuchtet.

Koautorin Sylvia Frühwirth-Schnatter, Leiterin des Instituts für Statistik und Mathematik an der WU, entwickelte dafür gemeinsam mit Wissenschafterinnen der Uni Linz und der University of Melbourne einen Algorithmus, der es ermöglicht, Antworten auf die Frage „Was wäre, wenn“ zu geben.In die Analyse flossen Daten von insgesamt 31.000 Müttern in Österreich.

Die Auswertungen zeigen, dass sich karriereorientierte Frauen, die gut verdienen, eher für kürzere Karenzmodelle entschieden. Und zwar offenbar ganz bewusst, weil sie beispielsweise einen Karriere- respektive einen Gehaltssprung in Aussicht hatten. „Würden diese Frauen länger in Karenz bleiben, würden sie diesen Sprung nicht machen und auch nicht mehr nachholen können“, sagt Frühwirth-Schnatter.

Dass Mütter generell in den ersten beiden Jahren nach einer Babypause finanzielle Einbußen erleiden, ist bekannt. Die Wissenschafterinnen schätzen diese auf durchschnittlich 4700 Euro pro Jahr und identifizieren die reduzierte Arbeitszeit als mögliche Ursache. Würden Frauen, die besser verdienen, länger in Karenz bleiben, wären die finanziellen Nachteile aber wesentlich längerfristiger – sie würden bei 15 Prozent liegen, wie die Studienautorinnen vorrechnen.

Neben jenen Müttern, die schnell aus der Babypause in den Beruf zurückkehrten, identifizierten sie auch eine Gruppe jener, die sich bewusst für mehr als 18 Monate Karenz entschieden – meist Niedrigverdienerinnen. Diese Frauen hatten wohl keinen Karrieresprung in Aussicht, mutmaßt Frühwirth-Schnatter. Bei ihnen gibt es Einkommensverluste, die sich im Laufe der Zeit jedoch wieder ausgleichen.

Im dritten und im sechsten Jahr nach Wiedereinstieg in den Job verbessere sich das Gehaltslevel wieder, sagen die Forscherinnen. Der Grund dafür sei, dass es für diese Altersgruppen bessere Betreuungsmöglichkeiten gebe als für Babys. Die Forderung daher: mehr Angebote, die dabei helfen, Job und Kind miteinander zu vereinbaren.

Das Analysemodell erlaubt auch einen genaueren Blick auf die Faktoren, die eher Gehaltseinbußen verursachen. Arbeiterinnen sind demnach im Vergleich zu Angestellten benachteiligt – sie müssen um etwa zehn Prozent höhere Einbußen hinnehmen, unabhängig von der Länge der Karenz. „Wir vermuten, dass das daran liegt, dass Arbeiterinnen weniger hoch qualifiziert und somit leichter zu ersetzen sind“, sagt Frühwirth-Schnatter dem STANDARD.

Für alle Wiedereinsteigerinnen sind die Gehalteinbußen geringer, wenn sie zu demselben Unternehmen zurückkehren. „Sie haben sich Wissen erworben, auf das sie dann aufbauen können. Arbeitgeber sollten also das Signal senden, dass die Frauen zurückkommen sollen.“

Im Juli 2000 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, die Frauen eine längere Karenzzeit ermöglichte – nämlich bis zu 30 statt bis dato maximal 18 Monaten. Die seitdem vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger erhobenen Daten – zu Karenzzeit und Lohn der Frauen – dienten den Forscherinnen als Basis für ihre Analyse. Eine ähnliche Untersuchung ist für Männer, die in Karenz gehen, geplant. „Leider gibt es davon noch keine 31.000“, sagt Frühwirth-Schnatter. (Lisa Breit, 15.5.2016) – derstandard.at/2000036894121/Was-Frauen-die-Karenz-kosten-kann