Mütter – Väter – Zustsändigkeiten

Während ich an die Gleichheit aller Menschen glaube, ist mir beim Strandurlaub dann doch ein Unterschied zwischen Müttern und Vätern aufgefallen.
Viele glauben ja, es gäbe einen Unterschied zwischen Frauen und Männern, abgesehen von der biologischen Realität des Kinder-kriegen-Könnens. Grundsätzlich glaube ich an die Gleichheit aller Menschen.
Dennoch, abseits aller gesellschaftlichen Konstellationen, politischen Einstellungen und Lebenswege ist mir diesen Sommer ein Unterschied zwischen Frauen und Männer aufgefallen. Genauer: ein Unterschied zwischen Müttern und Vätern. Noch genauer: am Strand.

Nur die richtige Badehose darf mit.
Allein das Einpacken für den Besuch eines Strandes erfordert Konzentration, Ausdauer und Genauigkeit. Schließlich darf nicht die grüne Schwimmscheibe vergessen werden („Mama, ich schwimme nur mit der grünen, verstanden? Nur mit der GRÜNEN!“), die Jause muss möglichst bekömmlich, wetterfest und leicht verzehrbar sein („Mama, ich hasse Wassermelone, ich hasse, hasse, hasse Wassermelone! Ich will Schokokeks!!!“), und in Bezug auf Bademode gelten ebenfalls genau einzuhaltende Kriterien („Mama, ich will nur den Badeanzug mit der Elsa drauf, nur den, und nicht den lilafarbenen!“).
Grundsätzlich ist mir unerklärlich, wieso all diese Bitten nicht auch an den gleichzeitig anwesenden, ebenfalls helfenden Vater gerichtet werden. Der würde sich zwar grundsätzlich auch einbringen wollen und ist ebenso wie die Mutter voll in die Kindererziehung und überhaupt alles involviert – aber die Kinder umtanzen immer nur wie die Motten das Licht die anwesende weibliche Bezugsperson. Warum?
Irgendwann während oder kurz nach diesem Einpackmarathon bekommt Mama dann wahrscheinlich praktischerweise a) die Menstruation, b) Kopfweh oder c) der Einfachheit halber gleich beides. Mütter packen aus, Väter genießen – oder wie?
Am Strand selbst offenbart sich dann das ganze Ausmaß der Geschlechterunterschiede erbarmungslos: Warum packen Frauen alles für sich und alle anderen aus? Warum organisieren sie Strandliegen, Sonnenschirme und cremen die Kinder ein, während sie mit dem Sandspielzeug die ersten Ansätze des Burggrabens formen und mit dem (ebenfalls von ihnen mitgebrachten) Kübel Wasser fürs Matschmachen holen? Warum zwängen sie Kinder in enge Badehosen und UV-Schutzkleidung, streiten über die Notwendigkeit von Sonnenkapperln, binden Zöpfe, flechten Armbänder neu, verteilen Wasserflaschen und Melonenstücke, versuchen mit einem Pareo schamhaft zu verdecken, was sich ohnehin nicht verbergen lässt, und wechseln zwischen der Suche nach einer Toilette für die größeren Kindern inklusive Nutzungsstreit mit dem Beach-Club-Besitzer auch noch die Windel des kleineren Kindes? Warum tun sie das? Warum nur?
Während die Väter in diesen ersten zehn Minuten Strand, Sand und Meer auf sich wirken lassen, mein Mann verzückt in die Sonne blickt, seine besten Freunde die Zehen ins blaue Wasser strecken und der erste wie mit fünfzehn ins Wasser hüpft und begeisterten Applaus der anderen pubertierenden 40-jährigen Buben erntet. Schön ist es da, schauen sie uns an und lachen.
Und wir? Wir Frauen schauen uns irgendwie fassungslos und entgeistert an. Warum sind wir Mütter so? Warum nur sind wir Mütter so? Warum müssen wir immer alles perfekt, gewissenhaft, wunderbar, super und überhaupt organisieren, strukturieren, durchplanen und sind dabei meist selbst nur gestresst und sauer? Ist also genau das der eigentliche Unterschied zwischen Müttern und Vätern? Dass Mütter immer alles übernehmen und alle Probleme aus dem Weg schaffen? Dass es die Väter einfach nicht sehen oder es sie vielleicht gar nicht so interessiert? Dass Väter einfach entspannter sind als Mütter? Dass es zwar auf dem Papier Gleichberechtigung gibt, aber nicht im Leben? Ich weiß es ehrlich auch nicht. Ich hole mir einen Spritzer aus dem Beach Club und decke mein Gesicht mit einer Zeitung zu. Und aus.

(Sanna Weisz, 7.8.2016) – derstandard.at/2000042361907/Ueber-das-Verhalten-von-Muettern-und-Vaetern-am-Strand