Was der Familienbonus Niedrigverdienern und Großfamilien bringt

Die von ÖVP und FPÖ geplante Steuergutschrift über 1.500 Euro könnte die Anreize für Frauen senken, sich einen Job zu suchen, sagen Experten.

Ein Geschenk an reiche Eltern oder eine sinnvolle Maßnahme zur Familienförderung?

Die geplante Einführung des Kinderbonus in Höhe von 1.500 Euro durch ÖVP und FPÖ scheidet die Geister. Während die künftige Regierung von einem Leuchtturmprojekt spricht, sehen Gewerkschaft, SPÖ und Kinderfreunde einen „Gutverdienerbonus“.

Auf den ersten Blick erscheint die Kritik berechtigt. Die 1.500 Euro sind ein Steuerabsetzbetrag. Davon profitieren also nur Personen mit ausreichend hohem steuerpflichtigem Einkommen. Doch in der österreichischen Realität ist die Sachlage etwas komplexer.

Zunächst werden Familien über das Steuersystem schon derzeit auf eine Weise entlastet, von der Besserverdiener deutlich stärker profitieren. Genau diese Besserstellung dürfte bald wegfallen, zumindest teilweise. Und das macht die Bewertung des Kinderbonus in puncto Verteilungsfairness schwierig.

Zur Ausgangslage: Seit dem Jahr 2009 gilt in Österreich, dass Betreuungskosten in Höhe von 2.300 Euro pro Kind steuerlich als Freibetrag geltend gemacht werden können. Ausgaben für (private) Schulen und Kindergärten dürfen ebenso angerechnet werden wie Ausgaben für Urlaubs- und Nachmittagsbetreuung oder einen Hort, vorausgesetzt, die Betreuung erfolgt durch qualifiziertes Personal. Das Schulgeld selbst ist nicht inkludiert. Die 2.300 Euro mindern nicht die Steuerschuld eines Arbeitnehmers gegenüber der Finanz – vielmehr sinkt die Bemessungsgrundlage. Wer mehr verdient und sich deshalb in einer höheren Steuerklasse befindet, profitiert also stärker. Ein Manager, der ein paar hunderttausend Euro macht, erspart sich bei seinem Spitzensteuersatz von 55 Prozent aktuell 1.265 Euro. Bei einer Angestellten in der untersten Steuerklasse (25 Prozent) sind es 575 Euro. Die Vorteile voll nutzen konnten bisher nur Personen, für die Ausgaben für Kinderbetreuung leistbar waren.

Das bestehende System wirkt also regressiv. Je mehr Einkommen, umso höher die Entlastung, sagt Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Steuerexperten regen deshalb schon länger Änderungen an. Ob der Kinderbonus, der das bestehende System der Familienförderung via Steuersystem umkrempeln soll, der richtige Weg ist, darüber lässt sich streiten. Mit der Einführung des neuen Modells soll der alte Freibetrag für die Kinderbetreuung fallen, war von ÖVP-Seite zu hören. Der neue türkis-blaue Bonus wird direkt von der Steuerschuld eines Erwerbstätigen abgezogen, unabhängig davon, in welcher Steuerklasse man sich befindet. Auch hier gilt, dass es ohne nennenswertes Einkommen nichts zu versteuern gibt. Den Geringverdienern bringt der Bonus also wie das geltende Modell nichts. Einige Ökonomen sind daher überzeugt, dass sozialpolitische Maßnahmen wie Familienförderung im Steuersystem nichts verloren haben. Eher könnte bei der Familienbeihilfe angesetzt werden, oder es müsste für jedes Kind einen Bonus von 1500 Euro geben, und sei es via Negativsteuer.

Norbert Neuwirth vom Institut für Familienforschung in Wien hat für den STANDARD einige Rechnungen erstellt, wie sich der Bonus auswirkt, wenn der Kinderbetreuung-Absetzbetrag wie geplant abgeschafft wird.

Bei Einkindfamilien gewinnen Niedrigverdiener mit Bezügen von 1.800 Euro im Monat brutto am stärksten dazu.

Bei Zweikindfamilien sind Personen mit 2.500 (Mittelstand) und 3.100 Euro (Gutverdiener) ex aequo die größten Profiteure.

Bei Vielkinderfamilien sind Gutverdiener die größten Gewinner vor Spitzenverdienern.

Der Kinderbonus ist im Umfang viel weiter gefasst als der aktuelle Freibetrag, der zum Beispiel nur bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr ausbezahlt wird, die Auswirkungen auf das Budget werden auch deutlich umfangreicher sein.

Weil er an keine Bedingungen wie externe Betreuung geknüpft sein soll, kann sich Expertin Schratzenstaller vorstellen, dass der Bonus auf das Arbeitsangebot Auswirkungen haben wird, und zwar bezüglich Frauen. Die Absetzbarkeit von Betreuungskosten macht es für Mütter nämlich finanziell interessanter, einen Job anzunehmen, um zum Haushaltseinkommen beizutragen. Den Bonus bekommt jeder – „dieser Anreiz wäre also weg“, so Schratzenstaller.

Über diese geschlechterspezifische Auswirkung auf den Arbeitsmarkt sei bisher wenig diskutiert worden, sagt die Ökonomin.

Unklar ist derzeit übrigens noch, ob der Kinderfreibetrag (440 Euro) wegfallen wird, auch dieser Betrag schmälert die Bemessungsgrundlage, wirke also regressiv. Im Wahlkampf hatte die ÖVP erklärt, dass dieser Freibetrag bleiben wird. (András Szigetvari, 14.12.2017) – derstandard.at/2000070316719/Was-der-Familienbonus-Niedrigverdienern-bringt-und-wie-Mehrkindfamilien-profitieren